Liebe Leser, heute schreitet der Deutsche Bundestag (mindestens) mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD zur Selbstentmachtung – und zwar zugunsten eines Gesetzes, gegen das angesehene Verfassungsrechtler erhebliche Bedenken äußern, ja welches sie zum Teil sogar förmlich in der Luft zerreißen.
Es geht, die meisten von Ihnen werden es wissen, um die Neufassung des sogenannten Infektionsschutzgesetzes, und hier insbesondere um den neu in das Gesetz hineingedrückten §28a, der der Regierung weiterreichende Handlungsvollmachten einräumt, ohne dass diese vom Parlament kontrolliert werden könnten; ich habe die Problematik hier in meiner Kolumne am letzten Samstag erläutert.
Der ehemalige, langjährige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, bezeichnet diese heute zu verabschiedende Neufassung des Infektionsschutzgesetzes sogar als einen „Persilschein“, den sich die Regierung einräumen lässt.
Einen solchen Persilschein (oder anders ausgedrückt: einen „Freibrief“, zu tun und zu lassen, was man möchte) darf es aber in einer Demokratie nicht geben: Die Exekutive, also die Regierung, ist stets an die Entscheidungen der Legislative – also an die Vorgaben des Parlaments – gebunden und ist diesem auch zur Rechenschaft verpflichtet.
Dumm ist dann eben „nur“, wenn das Parlament – bzw. zumindest die großkoalitionäre Mehrheit desselben, und was andere Oppositionsparteien außer unserer Bürgerpartei heute tun werden, das wird sich noch zeigen – der Regierung gar keine klaren Vorgaben machen möchte und offenbar auch keinen gesteigerten Wert auf Rechenschaft derselben legt.
Und noch dümmer ist dann, wenn auf so eine Art und Weise ein Gesetz verabschiedet wird, das der Regierung umfassende Möglichkeiten zur Beschneidung unser aller Grundrechte einräumt.
Zum Einräumen gehören aber immer zwei: Einer, der solches fordert, und ein anderer, der ihm dies tatsächlich zugesteht.
Der dies fordert, das ist die Merkel-Regierung – der dies einräumt, das sind die devoten Abgeordneten von CDU, CSU und SPD, die meisten von jenen vermutlich in ängstlicher Erwartung der nächstjährigen Aufstellungsversammlungen für aussichtsreiche Listenplätze bei der nächsten Bundestagswahl.
Offensichtlich reicht diese den „Groko“-Abgeordneten vor die Nase gehängte Karotte einiger weiterer Jahre der Abgeordnetentätigkeit, dass sie blind werden für die Vorgaben unserer Verfassung und taub für alle Warnungen angesehener Verfassungsrechtler – der von mir eingangs erwähnte Prof. Papier ist nur einer von ihnen.
Diese Abgeordneten verabschieden sich nun selbst von der Macht, die ihnen unser Grundgesetz völlig zu Recht zugesteht – alle Macht geht vom Volke aus, und dieses Volk bestimmt in Wahlen, wer im Parlament die Vorgaben für die Regierung zu machen hat.
So wird also heute ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfassungswidriges Gesetz beschlossen, was mit ebenso an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden wird.
Solange aber in dieser Sache nicht geurteilt ist, wird die Regierung über den nun beginnenden, langen Winter schalten und walten können, wie sie es in Sachen Corona gerade für richtig hält, ganz egal, ob die Vorgaben dieses Gesetzes (beispielsweise die Ausrichtung an einem EINZIGEN Indikator, nämlich der sog. Sieben-Tage-Inzidenz von 35 bzw. 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern!) überhaupt sinnvoll sind oder nicht, von der Verhältnismäßigkeit ganz zu schweigen.
Schalten und walten ohne parlamentarische Kontrolle scheint übrigens auch andernorts in Mode zu kommen: Ich selbst darf derzeit, ebenso wie alle anderen Abgeordneten des EU-Parlaments, nicht an den dortigen Plenarsitzungen teilnehmen – weil es nämlich keine mehr gibt.
Der Parlamentspräsident David Sassoli hat diese nämlich in selbstherrlicher Weise einfach ausgesetzt, natürlich auch mit dem Hinweis auf Corona – dabei ist kein einziger Abgeordneter bekannt, der sich im Parlamentsbetrieb infiziert hätte.
Möchte ich nun also eine parlamentarische Debatte mit anderen Abgeordneten führen, so müsste ich mich in eines der beiden Büros des EU-Parlaments in Deutschland nach München oder nach Berlin begeben, damit dort ein entsprechendes Video aufgenommen wird. Mit Verlaub, aber das ist absurd – das ist noch nicht einmal mehr eine Simulation von parlamentarischer Debatte.
Im Namen der Delegation unserer Alternative für Deutschland im EU-Parlament fordere ich daher die sofortige Wiederaufnahme des Parlamentsbetriebs, was gerade in diesen Zeiten zunehmender Anmaßungen der uns hier schon viel zu lange Regierenden in höchstem Maße geboten erscheint.
Zeit für das Ende der Anmaßungen. Zeit für die Parlamente, die vom Bürger übertragene Macht auch auszuüben. Zeit für die #AfD.